Nach dem ersten kleinen Fahrrad-Training (an der langen Leine auf dem großen Hof), das Less ganz unaufgeregt und kooperativ mitgemacht hatte, bemerkte ich an Finn eine Zecke. Um sie in seinem dichten Fell schnell wiederzufinden und dann auch gleich entfernen zu können, gingen wir in den Hausflur. Dort leinte ich Less ab, nahm auch ihr Sicherheitslaufgeschirr ab und sie ging sofort -wie selbstverständlich- auf ihren "Stammliegeplatz nach Spaziergang" in eben diesem Hausflur. Was ich vergaß: die Haustüre zu schließen. Erst als ich in der Küche nach der Zeckenzange griff, hörte ich den lauten Knall einer Mitteltüre zwischen Terrassentür und Haustür, die wegen Durchzug von alleine zugesprungen war! Less hatte sich durch dieses Geräusch so sehr erschreckt, dass sie nach vorne aus dem Haus herausschoss, mit einem gewaltigen Sprung über das Hoftor setzte und dann scheinbar zielstrebig (so die Beobachtung der direkten Nachbarin) auf dem Bürgersteig in die Richtung lief, mit der wir unsere morgendlichen Gassirunden für gewöhnlich starten. Danach blieb sie wie vom Erdboden verschluckt, niemand sonst hatte sie gesehen Und das blieb so bis spät in den Abend. Also habe ich in dieser Nacht die Türen zum Hof und zum hinteren (hocheingezäunten) Gartenbereich offen gehalten, auch die Terrassentür blieb über Nacht geöffnet. Ich stellte dort Wasser und Futter bereit, falls Less den Weg -so meine Hoffnung- zurückfinden würde. Das Ansinnen des Nachbarn, eine Facebook-Suchaktion zu starten, habe ich zu diesem Zeitpunkt dankend abgelehnt, da ich befürchtete, dass die erschrockene Less bei offensiver Suchaktion nach ihr möglichweise in noch größere Panik verfällt.
Finn und ich sind dann noch ein letztes Mal um 03:00 Uhr am Samstagmorgen leise durch das Wohnviertel gestreift: Von Less immer noch keine Spur. Auch am Morgen, nachdem Hof- und Gartentüre wieder fest verschlossen waren, gab es zunächst kein Lebenszeichen von Less. Wasser und Futter auf der Terrasse waren unberührt geblieben. Und als ich da so verzweifelt in meinem großen und etwas verwildert gewachsenen Garten stand, kam Less plötzlich aus dem Dickicht herangetrabt, blieb kurz stehen und blickte mich an, doch dann verließ sie augenscheinlich der Mut und sie kehrte um und lief an das hintere Ende des Grundstücks hinter eine Gartenhütte. Ich rief nach Finn und er verstand sofort, was zu tun war: lief sehr vorsichtig hinter Less her, begrüßte sie dezent und freundlich und kam dann mit ihr im Gefolge wieder in meine Richtung. Auch ich sprach sie freundlich an, wendete mich ab und ging zum Haus. Less folgte nun gemeinsam mit Finn bis auf die Terrasse, nahm sogar unaufgefordert Platz auf ihrer Gartenliege und ich ging ins Haus. Überglücklich, dass sie den Weg zurück zu uns gesucht und gefunden hatte und auch erleichtert, dass sie sich jetzt gesichert im hinteren Teil des Grundstückes aufhalten konnte. Das Haus mochte sie dann aber doch nicht (ohne Leine) betreten. So weit reichte ihr kleiner Mut noch nicht aus. Sie verschwand ganz urplötzlich wieder irgendwo im Dickicht und ich suchte auch nicht mehr aktiv nach ihr, sondern plante nun einen Tag mit Gartenschnittarbeiten ein. Less blieb bis in den späten Nachmittag hinein unsichtbar. Dann kam sie plötzlich aus ihrer Deckung aus dem Dickicht hervor, blieb auf Zuruf stehen und ließ sich anleinen und wie selbstverständlich ins Haus führen. Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass sie in diesem Moment ihre Entscheidung getroffen hat, bei Finn und mir bleiben zu wollen. Das ist unser ganz persönliches "Happy End"!
Allerdings sollte niemand auf die Idee kommen, ein anfängliches Unglück (hier meine eigene Nachlässigkeit beim Haustüre-Schließen) zu provozieren, um zu einem ähnlichen Glückserlebnis zu gelangen. Für Less muss es ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein, zu fliehen aber nicht verfolgt zu werden, wiederzukehren aber nicht bedrängt zu werden. Sie hat dann lange geschlafen, etwas gefressen und ist bei der letzten, kurzen Gassirunde bei Tageslicht das erste Mal "vorgelaufen"! Natürlich wird sie uns weiterhin mit ihrem Sicherheitsgeschirr und angeleint begleiten. Ich habe sogar den Eindruck, dass ihr das Sicherheit gibt. Jetzt genießen wir erst einmal die Ferienzeit und die Sommerabende im gut gesicherten Gartenteil.