Liebe Tierfreunde
Arturo ist ein Paniker, wie ich dies in all meinen Jahren Angsthunde-Übernahme noch nie erlebt habe.
Deshalb habe ich erst jetzt, und damit auf den dritten Aufruf, sein neues Kapitel in seiner neuen Lebensgeschichte zu schreiben, reagiert.
Kein Mensch hätte verstanden, was ich hätte schreiben müssen.
Jetzt, da ein Silberstreifen am Horizont sichtbar wird, hole ich das nach.
Arturo kam zu uns, ein Nervenbündel. Auf der Heimfahrt vom Abholort hat er uns das Autoinnenleben buchstäblich zerlegt. Wir haben deshalb auch erst auf dem Hof haltgemacht, dies nach 7 Stunden Fahrt durch Regen und eine Kaskade von Lichtwechseln.
Als Arturo ankam, hatte er vor Erschöpfung sein inneres Ich aufgegeben. Alles war zu viel. Er liess meine Gegenwart über sich ergehen. Er liess sich über die Schwelle ins Haus drängen. Er nahm das Futter an und schlief. 5 Minuten. Dann gings los.
Innerhalb von einer halben Stunde zerstörte er buchstäblich das Büro meines Lebenspartners. Er wütete in der Küche. Nichts war mehr an seinem Ort, kein Tisch, kein Stuhl, nichts auf den Ablagen. Arturo ging buchstäblich die Wände hoch. Sein Puls raste, er hechelte wie ein zu Tode gehetzter Hund. Er verlor den Blick aus den Augen. Er war nur noch ein Häufchen Panik.
8 Stunden lang harrte ich auf dem Küchenboden aus, Arturo an einer Leine um meine Hüften geknotet. Er riss mich durch die Küche. Er heulte, er litt. 8 Stunden harrte ich so aus, bis der Morgen kam. Dann schlug die Panik in Angst um. Arturo wollte raus. Auf dem Hof normalisierte sich alles ein wenig. Ich rief die Klinik an.
Arturo erhielt eine medikamentöse Behandlung. Ich beschrieb seine Angst vor Lichtwechseln. Licht an, Licht aus. Das löste (und löst auch heute noch) diesen Zustand aus. Die Medikamente beruhigten ihn, doch Arturo riss sich los, rannte weg, überkletterte unsere 1.80 hohe Umzäunung und zwängte seinen Kopf durch schwere Metallpanels. Der Rest des Körpers rutschte einfach nach. Die Polizei fand ihn kurz darauf in einer Pizzeria, die den Betrieb noch nicht aufgenommen hatte.
Ich durfte den verängstigten Arturo nach 2 Stunden Flucht wieder abholen. Ein erstes zögerliches Wedeln, die Augen aber immer noch geweitet. Er liess sich anleinen, stieg nach ein paar Minuten auch plötzlich selber ins Auto ein. Und kam heim. Und entschied: Hier bleibe ich. Draussen. Auf dem Hof. Denn jeder Wechsel von künstlichem Licht löst bei ihm wieder Panik aus.
Wer denkt: Ist kein Problem, lässt sich händeln, respektive, das hatte er vorher doch nie, sieht sich getäuscht. Denn Arturo war aus verständlichen Gründen im Tierheim nachts nicht überwacht. Niemand konnte das also wissen. Andererseits ist diese Situation auch nicht einfach zu händeln, den schon alleine das automatische Anschalten der Strassenlampen, die automatische Lichtschranke bei Nachbarshäusern, das Aufflackern des Lichts im Haus - all das löst dieses Verhalten aus. Und so klettert Arturo nachts auch immer noch über all unsere Zäune zu seiner Schutzstelle an Ende unserer Weiden. Und kommt, sobald es ziemlich hell ist, auf Rufen zu uns.
Füttern im Hause, das schafft er inzwischen. In den letzten Tagen hat er gar nachts stundenweise unter unserem breiten Hausdach geschlafen. Ein unglaublicher Fortschritt. Tags verbringt er frei auf dem Hof, kommt manchmal rein. Bis zum Beispiel das Handy Lichtsignal angeht, weil jemand anruft (Klingeln habe ich abgestellt, um ihn nicht zu reizen). Es ist ein dezenter Dunkelblauton, der das Display kurz erhellt, bevor es wieder schwarz wird. Das reicht Arturo bereits an Lichtwechsel, um Reissaus zu nehmen.
Nach 1 Woche Medikamente haben wir unter tierärztlicher Aufsicht das für ihn passende CBD-Präparat angewendet. Das hat nach und nach geholfen, einen ruhigeren Arturo anzutreffen. Auf Zurufen kommt er nach intensivem Training gerne. Er braucht dann sofort ruhige, klare Führung. Ich nehme ihn an der Schleppleine und führe ihn auf einen kleinen Parcours auf der kleinen Pferdeweide. Dort wachsen wir beim Üben zusammen. Die Nacht in der mit Licht überfüllten Nachbarschaft hält aber immer noch grosse Schrecken für ihn bereit, so dass er sich lieber in sein Dickicht flüchtet, um seit ca. 2 Tagen regelmässig ans Haus mal schauen kommt, ob wir noch da sind.Wir sind es. Und merken, dass er kommt, auch wenn dies um 2 oder 4 Uhr morgens ist. Das beruhigt ihn. Dann trollt er sich wieder, um am nächsten Morgen freudewedelnd die anderen Hunde und mich (in dieser Reihenfolge) zu begrüssen.
Arturo macht seinen Weg. Langsam. Es wird erfahrungsgemäss ein ganzes Jahr ins Land ziehen müssen, bevor der grosse Blonde mit sich seinen inneren Frieden schliessen werden kann. Wir stehen erst am Anfang dieser Reise. Aber es ist ein guter Anfang.
Danke, Arturo, für deine Mitarbeit! Danke Claudia, dass Du in Italien so gut auf Arturo aufgepasst hast. Dafür bin ich Dir sehr dankbar!