Luca – wenn das Leben eine wunderbare Wendung nimmt
„Luca.....Luca komm.....“ „Diese Zweibeiner müssen doch ständig irgendwelche Laute von sich geben. Naja, hat nix mit mir zu tun. Ich hab hier das Gras und die Mäuse und den Wind in der Nase.....mmh....Verwesung. Da muss ich hin.....wälzen. „Neeeiiin!“ „Und – was hab ich gesagt ? Die müssen immer irgendwelche Laute von sich geben.“
10.06.2023, ein etwas zu kühler Sommerabend auf einem umzäunten Gelände: zwei Transporter brachten gebeutelte Seelen im Hundepelz zu fürsorglichen Menschen, die geduldig auf die Übergabe ihrer neuen Familienmitglieder warteten. Einer von ihnen war Nichard. Ein aufregendes Ereignis für alle Beteiligten. Die erste Begegnung mit unserer Hündin Smilla war recht positiv, auch wenn die beiden in den folgenden zwei Wochen noch zurückhaltend waren und respektvoll Abstand hielten.
Die Heimfahrt verlief ruhig, Smilla lag auf der Rückbank, während Nichard das Heck für sich hatte und seine lange Reise aus Italien einfach fortsetzte. Zuhause angekommen, musste nach einer kurzen Pinkelrunde die zweite Hürde genommen werden: in's Haus gehen. Nichard war alles andere als begeistert, ließ sich aber letztendlich doch hineinführen, nachdem Smilla entspannt vorausgegangen war. (Sie hat sicher für ihn manches leichter gemacht). Für die kommenden Tage hatten wir das Wohnzimmer zum Schlafzimmer umfunktioniert und so machte Nichard in dieser Nacht seine erste neue Erfahrung in seinem neuen Zuhause: das Rudel schläft zusammen im Rudelraum.
Nichards neues Leben begann mit einem neuen Namen: Luca. Der Leuchtende. Sein kleines Seelenlicht, das im Canile nicht erstrahlen konnte, wird jetzt wieder leuchten.
Mehr als drei Wochen sind seither ins Land gezogen und sein Licht leuchtet von Tag zu Tag heller. In den ersten Tagen war er verständlicherweise noch sehr zurückhaltend und beobachtete genau, was um ihn herum vor sich ging. Wie wir uns bewegten, die Art und Weise, wie die „Rudelmitglieder“ sich zueinander verhielten. Die Lage sondieren eben. Das leckere Futter, die regelmäßigen Spaziergänge, die ausgiebigen Streicheleinheiten überzeugten ihn mehr und mehr und inzwischen lässt er sich seine von der Leishmaniose gezeichneten, wunden Pfoten pflegen und sogar mit der Spezialzange die Krallen kürzen.
Die Medikamentengabe hat sich eingespielt und wir schaffen es sogar, die Kapseln so zu verfüttern, dass er nicht draufbeisst, obwohl er eher ein Kauer als ein Schlinger zu sein scheint. Nach jeder Kapsel halte ich ihm sofort eine Scheibe Wurst vor die Nase, die er sich auch gleich schnappt. Ich halte sie aber am Ende noch fest, bis er die Kapsel geschluckt hat. Er freut sich schon immer richtig auf seine Medizin-Leckerlies. Ich frage mich nur, wie ich ihm das erklären soll, wenn er mal keine Medikamente mehr bekommt.
Ach ja, es gäbe soviel zu erzählen, z.B. dass sich Luca, nachdem er Vertrauen gefasst hatte, als unglaublich verschmust herausstellt. Das erklärt auch, warum er so ein irre seidiges Fell hat. Einfach weil ihn dann jeder streicheln will. Wenn er diese „Ganzkörpermassagen“ bekommt, bleibt für ihn die Zeit stehen und er weiß, dass dies der eigentliche Sinn seiner Existenz ist und er jetzt bis ans Ende aller Tage gestreichelt wird.
Was mich an Luca sehr erstaunt ist, dass er kaum Angst oder Scheu vor irgendetwas hat. Weder vor herunterfallenden Tassen, noch vor dem Staubsauger. Weder stört ihn der Mixstab in der Küche oder das Handrührgerät noch der Haarschneider meines Mannes. Was ihn allerdings wirklich aus der Haut fahren lässt, sind Kondensstreifen am Himmel. Diese hauchfeinen Kreidestriche im weiten Himmelblau muss er zwanghaft, bei vollem Körpereinsatz verjagen und verbellen, was jedesmal gelingt. Irgendwann sind sie immer weg. Ich hoffe inständig, dass er dieses Engagement gegen die vermeintlichen Angriffe aus der Luft eines Tages aufgibt, weil es einfach langweilig wird.
Luca hat schon richtig viel gelernt, seit er bei uns eingezogen ist: er hat gelernt, dass es auch im Menschen-Schlafzimmer Hundeliegeplätze gibt, auf denen man super gut schlafen kann. Er hat gelernt, dass das Futter für alle reicht und er sogar seinen eigenen Napf hat, den ihm keiner streitig macht. Er hat gelernt, die Vögel im Garten aufzustöbern und zu verjagen, weil die immer die Johannisbeeren klauen. Er hat die Gartenmäuse kennengelernt, die immer so spannende Löcher in die Erde machen und er hat gelernt, dass das Gras am Fluss viel saftiger ist und leckerer schmeckt, als das Gras im Garten. Langsam dringt es auch irgendwie in seine tieferen Gehirnwindungen, dass dieses „Luca“ oder „Luca komm“ irgendwas mit ihm zu tun hat und dass es immer dann, wenn er darauf zu dem Zweibeiner hinläuft Leckerli gibt. Er wird das sicherheitshalber mal genauer beobachten und austesten.
Ganz neu in Lucas neuem Leben ist das Autofahren. Er übt jetzt jeden Tag zweimal. Einsteigen zuhause, aussteigen an irre spannenden Orten, Spazierenschnüffeln, dann wieder einsteigen und aussteigen zuhause. Sehr seltsam das Ganze, aber anscheinend nicht gefährlich. Auch das wird er noch genauer beobachten und testen. Ausserdem hat Luca gelernt, dass die Teambildung mit dem anderen Hund im Haus, Smilla, noch Zeit braucht. Ein kleines Spielchen ist schon mal drin, aber beide sind zurückhaltend. Mäuse jagen können sie aber schon gemeinsam.
Wenn wir alle zusammen in der Wiese sitzen und Luca, nachdem er seinen seidigen Pelz gründlich im borstigen Gras gerubbelt hat, in den Himmel schaut, wirkt er auf mich, als hätte er noch etwas ganz Wichtiges gelernt: dass man manchmal einfach Glück hat und das Leben ganz plötzlich eine wunderbare Wendung nehmen kann.
Dank pro-canalba gibt es schon sehr viele Hundeseelen, deren Leben diese wunderbare Wendung nahm und es werden noch sehr viele folgen.