Ja ja, ich weiß! Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr. Aber es ist nun mal so wie es ist: Ich bin wirklich der beste Hund der Welt.
Zunächst muss ich gestehen, dass ich die Zeit vor meiner Ankunft in Deutschland vollkommen aus dem Protokoll gestrichen habe. Ich erinnere mich irgendwie nicht mehr. Meine Herrchen vermuten, dass ich in Italien auf einem Elite-Internat war, wo ich die Fächer „Gemütlichkeit“ und „Gutes Benehmen“ als Leistungskurse belegt und ein 1,0-Abitur hingelegt habe. Anders können die sich das nicht erklären. Mir ist das ehrlich gesagt wurscht. Die Vergangenheit interessiert mich nicht. Ich bin eher der Typ, der im Hier und Jetzt lebt. Deshalb wollte ich euch hier von meiner ersten Woche in Berlin erzählen. Aber eins nach dem anderen.
Ein Vorurteil über Deutschland stimmt leider. Das Wetter hier ist echt eine Katastrophe! Als ich nach einer höllisch langen Fahrt nach Kirchlengern endlich meine Transportbox verlassen durfte, hat es in Strömen geregnet. Dazu kam noch Kälte, Sturm und Matsch. Überall Matsch! Ich dachte erst: „Alter, was ist das denn hier?“
Nach einem kurzen Spaziergang auf einer Wiese mit zwei komischen Jungs (in Deutschland bestehen die Wiesen übrigens aus Matsch, nicht aus Gras), sollte ich dann plötzlich schon wieder in eine Box. Diesmal aber größer. Hab ich echt nicht gecheckt! Da hat mich ein Mensch mit einer schwarzen pro-canalba-Jacke einfach reingehievt und dann hat sich die große Box bewegt. Vorne diese beiden komischen Jungs, ich hinten.
Kleine Anekdote am Rande: Bei dieser Box handelte es sich um einen niegelnagelneuen Mietwagen, den ich innerhalb von nur 5 Minuten in GRUND UND BODEN gerockt habe. Die Herausforderung bestand darin, in möglichst kurzer Zeit so viel Matsch und Hundehaare wie möglich im ganzen Auto zu verteilen. Als ich das mit Bravour erledigt hatte, habe ich aus dem Fenster geguckt und musste feststellen, dass die Welt in dieser Box so komisch horizontal an einem vorbeirauscht. Das fand ich irgendwie interessant. (Siehe Bild 1)
So ging das dann vier Stunden lang. Ich habe ab und zu aus dem Fenster geguckt, ansonsten habe ich brav vor mich hingedöst oder habe geschlafen.
Und dann bin ich plötzlich in Berlin angekommen!
Der eine von diesen beiden Jungs hat erstmal das Auto sauber gemacht, der andere hat mir sofort Berlin gezeigt. Das fand ich super von dem. Den mochte ich sofort! Also bin ich ihm nicht einen Meter von der Seite gewichen. Wenn er stehen blieb, bin ich auch stehengeblieben. Wenn er meinte „Komm!“, bin ich weitergelaufen. Wir haben uns sofort bestens verstanden - so, als würden wir uns schon ewig kennen. Ich glaube, wir hatten beide ein bisschen Schmetterlinge im Bauch und so sind wir, total romantisch, durch einen großen dunklen Park gelaufen und dann durch Straßen mit ganz vielen bunten Lichtern. Das war alles total neu für mich aber auch irgendwie schön und überhaupt nicht angsteinflößend.
Irgendwann standen wir vor einem riesigen Haus mit fünf Stockwerken. Da sind wir rein und Leute, jetzt kommt’s! Ich musste schon wieder in eine Box, diesmal mit so Metallwänden und einem ganz großen Fenster, aus dem man rausgucken konnte. Dann hat mein neuer Freund auf einen Knopf gedrückt, und plötzlich ist die Welt nicht horizontal sondern vertikal an mir vorbeigerauscht. Mega abgefahren! Mir hat das aber überhaupt keine Angst gemacht. Im Gegenteil: Ich fand das ziemlich spannend.
Dann ging die Tür von dieser Box auf, ich musste ein paar Treppen runterlaufen (kann ich übrigens richtig gut) und da war es: Mein neues Zuhause! Ich hab es sofort gespürt.
Da lag so ein großes Ding auf dem Boden, das sah ganz weich und kuschelig aus. So schön, dass ich mich da gar nicht hin getraut habe. Doch dann hat mich einer von meinen beiden neuen Freunden einfach hochgenommen und hat mich daraufgesetzt. Und da habe ich es begriffen: Ein Bett! Ganz für mich allein! Und sogar mit Kuscheltier und warmen Lammfell! Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Ich habe gewinselt vor Freude, mein neues Bett einmal komplett abgeschleckt und mich dann hingelegt. Meine beiden neuen Freunde hatten Tränen in den Augen, so unfassbar rührend war das wohl… (Siehe Bild 2, 3 und 4)
Nach einem kurzen Nickerchen gab es das erste Mal etwas zu essen. Bio-Rind mit Karotten. Habe ich innerhalb von 30 Sekunden eingeatmet. Lecker! Danach nen halben Napf Wasser leer geschlabbert und zurück ins Bett.
Spät abends war ich nochmal ne Runde spazieren und habe dann die komplette Nacht durchgeratzt.
Am nächsten Morgen bin ich um 6 Uhr davon ausgewacht, dass einer meiner neuen Freunde, der sich netterweise für die erste Nacht neben mich aufs Sofa gelegt hatte, einen tierischen Lachkrampf bekommen hat. Denn ich lag schnarchend so da: (Siehe Bild 5)
Die dritte Nacht habe ich übrigens schon ohne Murren allein im Wohnzimmer verbracht. Wenn meine Herrchen alle Türen auflassen und ich ab und zu im Schlafzimmer nach dem Rechten sehen kann, stört mich das überhaupt nicht.
Tja, und so lebe ich mein Leben jetzt in Berlin. Ich muss sagen: Ich finde das Thema Großstadt generell etwas überbewertet. Ich finde Berlin teilweise sehr interessant, teilweise aber auch vollkommen uninteressant.
Was ich zum Beispiel sehr interessant finde: meine zwei neuen besten Freunde, mein neues Zuhause (speziell mein Bett), Spazierengehen, andere Menschen, Parks und Büsche. Denn ich pflege generell nur in Büsche zu kacken. Möglichst so, dass es keiner mitbekommt. Wegen der italienischen Elite-Hundeschule wahrscheinlich. Ich weiß, was sich gehört!
Was ich semi-interessant finde sind andere Hunde. Es hieß, ich käme nicht so gut mit Rüden klar. Stimmt gar nicht. Ich beschnuppere die immer höflich und gehe dann weiter. Na ja, mal sehen, wie es irgendwann auf der Hundewiese ohne Leine aussieht. So weit bin ich ja noch nicht….
Was mich in Berlin allerdings ÜBERHAUPT nicht interessiert, das sind die vielen Autos, laute und bimmelnde Straßenbahnen, Tauben und sogar die Sirenen der Feuerwehr. Interessiert mich einfach nicht. Ist mir vollkommen egal. Ich bin einfach nur glücklich draußen zu sein und vertraue meinen Herrchen voll und ganz. Gestört hat mich hier in der ersten Woche noch gar nichts.
Und an dieser Stelle muss ich mich mal selbst loben: Ich bin nämlich absoluter Weltmeister in der Disziplin „An der Leine gehen.“ Da kann mir keiner das Wasser reichen! Ich habe noch nie gezogen, ich weiche meinen Herrchen nicht mehr als höchstens einen Meter von der Seite, die Leine hängt IMMER locker. Wenn meine Herrchen stehen bleiben, bleibe ich auch stehen. Wenn sie weitergehen, gehe ich auch weiter. Ich höre an der Ampel sogar schon auf das Wort „Stopp“ und bleibe sofort stehen, auch wenn meine Herrchen noch einen Meter weiter gehen. Gut, nä?
Wenn meine Herrchen kurz in einen Laden wollen, um etwas zu besorgen, kann man mich wunderbar draußen an einer Laterne festbinden. Ich setze mich dann einfach hin und warte bis sie wiederkommen. Kein Zerren an der Leine, kein Winseln, NIX!
Neulich hat es tierisch gestürmt und plötzlich hat der Wind eine ganz große Altpapiertonne erfasst und diese umgeworfen. Das hat vielleicht einen Krach gemacht! Ich habe mich nur kurz leicht erschrocken, bin stehen geblieben, hab mein Herrchen angeschaut und als der meinte „Komm!“, bin ich weitergelaufen.
Vor zwei Tagen haben wir dann was ganz irres gemacht. Eines meiner Herrchen hat zum Spazierengehen so ein großes schwarzes Ding mit zwei Rädern mitgenommen. Im Park angekommen, hat er sich auf dieses Ding gesetzt und plötzlich ging alles viel schneller und ich musste laufen. Das hat vielleicht Spaß gemacht! Ich bin die ganze Zeit neben diesem schwarzen Ding hergelaufen. So, wie es mir erklärt wurde: Leine immer locker, nicht die Seite wechseln und einfach nur vor sich hin traben. Mein Herrchen war begeistert! So richtig rennen konnte ich aber leider nicht. Irgend etwas scheint mit meiner einen hinteren Pfote nicht ganz in Ordnung zu sein. Aber das klären wir beizeiten beim Tierarzt.
Apropos Tierarzt: Gestern war mir total schlecht und ich musste kotzen. Wovon weiß ich nicht. Es kam auch nur Wasser und ein bisschen Schleim, aber mir ging‘s echt nicht gut. Ich wollte eigentlich auch gar nicht raus, hab aber trotzdem eine kleine Runde gedreht, damit ich aufs Klo konnte (bzw. in den Busch). Hab dann nochmal drei Stunden tief geschlafen, danach ging es mir wieder gut, ich habe gefressen und war wieder ganz der alte Henry.
Schlafen soll ja eh gut sein, hab ich gehört. Deshalb mache ich den ganzen Tag das, was ich am allerbesten kann: Schlafen, schlafen, schlafen, schlafen…
Leute, was soll ich sagen: Es geht mir hier bestens. Ich bin genau so überglücklich wie meine Herrchen. Die sagen übrigens immer: „Jeder bekommt den Hund, den er verdient.“ Und ich finde: Umgekehrt gilt das genauso.
So, das war’s erstmal von mir. Bis bald!
Tschüss,
Euer Henry