Heute möche ich, Liahs "Frauchen" mich einmal zu Wort melden.
Nach meinen letzten, tief berührenden, Erlebnissen mit Liah muss ich hier mal "etwas loswerden". Irgendwie haftet den Tierschutzhunden ja oft so ein "Arme-Hascherl-Image" an, wir möchten sie gerne für das, was ihnen angetan wurde, entschädigen, behandeln sie damit aber oft so, als ob sie ein wenig fehlerhaft wären.
Auch ich habe Liah anfangs ganz oft als die Hündin vorgestellt, die einiges mitgemacht hatte, eher ängstlich auf andere zuging und hatte fast das Gefühl, ich müsste mich für ihr bisheriges Leben und das, was es mit ihr gemacht hat, entschuldigen.
Aus heutiger Sicht habe ich ihr damit so eine Art "Opfer-Image" verpasst. Das ist sicherlich sehr menschlich und auch eher lieb gemeint, nachdem ich in den letzten Jahren erleben durfte, was für ein toller Charakter diese Hündin ist, denke ich aber oft, dass das genaue Gegenteil der Fall ist, denn viele, die es in ihrem Leben leichter hatten, sollten "vor ihr den Hut ziehen".
Nun aber zu meinen beeindruckendsten Erlebnissen:
Ich bin im Sommer mit den Hunden 5 Wochen lang mit meinem Boot für mich oft wirklich herausfordernde Strecken gefahren. Einmal hat uns der Schwell (die Welle, die ein schnell fahrendes Boot hinter sich erzeugt) eines uns sinnlos mit Vollspeed umkreisenden Bootes fast zum Kentern gebracht. Im Innern ist einiges aus den Regalen gefallen und Liah, die sich gerne unten aufgehalten hat, hat vor Schreck 6 Stufen nach oben zu mir an Deck übersprungen. Beide Hündinnen und ich standen wirklich unter Schock.
Ein paar Tage später hatte ich eine andere, für mich angsteinflößende Überfahrt zu bewältigen, falls es jemandem etwas sagt, wir sind von Otterndorf nach Brunsbüttel über die Elbe gefahren, auf der "die ganz großen Schiffe" unterwegs sind.
Ich war völlig aufgelöst und stand die ganze Zeit stark angespannt am Steuer, während alte Dinge hochkamen und mir ununterbrochen die Tränen liefen. Nach den früheren Geschehnissen hätte man vermuten können, dass Liah gar nicht wieder an Bord geht, oder sich zitternd verkriecht. Das genaue Gegenteil war jedoch der Fall: Sie kam ganz ruhig zu mir an Deck und hat sich die ganze Überfahrt lang, sehr majestätisch, direkt neben mein rechtes Bein gesetzt, so dass ich immer ihre Unterstützung und Wärme spüren konnte. Erst als ich mich wieder etwas entspannt hatte, hat sie sich hingelegt, ist aber ganz dicht bei mir geblieben.
Spätestens seit diesem Erlebnis möchte ich mich auch nicht mehr als "Frauchen" bezeichnen, denn wir sind "Gefährtinnen auf Augenhöhe". Liah ist ja eh eine sehr selbstbestimmte Hündin, sie denkt und überdenkt jede Situation und entscheidet für sich. Sie ist sehr gewissenhaft in ihren Entscheidungen. Inzwischen vertraue ich ihrer Einschätzung der Situation. Wenn sie jemanden "merkwürdig findet" hat das immer handfeste Gründe. Wenn sie sich dagegen vor jemanden setzt und denjenigen zum Streicheln auffordert, dann kann ich mir sicher sein, dass dies ein wertvoller Mensch ist.
Ich denke, dass wir mehr dahin kommen sollten, die Stärken unserer Hunde zu sehen und nicht immer nach ihren "Macken" suchen sollten. Ich bin mir sicher, das die meisten viel mehr wissen und können, als wir ihnen zutrauen. Wir sollten ihnen einfach mehr "zuhören".
Auch als es meiner Hündin Kimmy vor kurzem nicht gut ging, war Liah die Erste, die plötzlich vom Boot sprang und zu ihr hinging, sie ausgiebig beschnüffelte und mir deutlich zu verstehen gab, dass es Kimmy gerade richtig schlecht ginge und ich mich doch bitte kümmern sollte. Wie recht sie hatte! Auch wenn wir aktiv gar nicht viel tun konnten, hat Kimmy die uneingeschränkte Aufmerksamkeit und Zuwendung nach meinem Empfinden neue Kraft gegeben und sie ist inzwischen wieder so fit wie vorher. Ich weiß nicht, was gewesen wäre, wenn Liah nicht derart feinfühlig reagiert hätte.
Also hier mein Apell an alle, die dieses Happyend lesen: gib Deinem Hund den Raum, er selbst zu sein und seine ganz besonderen Fähigkeiten zu entwickeln und zu leben.