Dieser Hund wurde vermittelt von www.pro-canalba.eu

Mein 'jetziger' Name
Schäfchen

Mein Name im Tierheim
Derbi

Rasse
Maremmano

Das ist mein Hund und ich möchte gerne einen neuen Happy End Beitrag hinzufügen

Eintrag vom 22.06.2020
Happy?

Wir möchten zuallererst vorausschicken, daß die folgende ehrliche Beschreibung niemanden davon abhalten sollte,  Hunden wie unserem Schäfchen zu Hilfe zu kommen. Denn was sollte denn - wenn uns diese philosophisch-pathetische Anmerkung erlaubt ist - (Tier-)Liebe sonst sein als Altruismus. Ansonsten ist es aus unserer Sicht keine „Liebe“, sondern eine angestrebte win-win-Situation: Ich helfe, aber ich möchte etwas dafür bekommen. Wenn jeder nach diesem Prinzip handeln würde, hätten Tiere wie unser Schäfchen keine Chance „verdient“, weil ihre Traumatisierung ihnen ein Zurückgeben von was auch immer eben unmöglich macht. Aber haben nicht auch diese Tiere unsere Hilfe verdient? Ich möchte hinzufügen, daß es natürlich auch uns wehtut, wenn das höchste der Gefühle eine stille Duldung ist. 

 

Hier nun unser Erfahrungsbericht der vergangenen vier Wochen: 

 

Wir tun uns schwer damit, ein Happy End für unser Schäfchen zu beschreiben, weil es für uns so aussieht, daß Schäfchen in seinem früheren Leben sehr viele schlechte Erfahrungen machen mußte und dadurch Menschen und auch anderen Hunden gegenüber ängstlich und schreckhaft ist. Auf uns wirkt es so, als ob Schäfchen das Fröhlichsein gründlich verlernt hat - wenn er es je kannte - und sich vollständig in sich selbst zurückgezogen hat. Das kann vielleicht auch mit seiner Sozialisation als Herdenschutzhund zusammenhängen. Grundsätzlich aber ist “happy” kein Begriff, den man mit Schäfchen in Verbindung bringen könnte. Und vermutlich wird das auch nie der Fall sein.

 

Als Liegeplatz hat Schäfchen sich die Küche ausgesucht. Vielleicht, weil sich dort auch seine Futterstelle befindet, wahrscheinlicher aber, weil er sich von unserem bevorzugten Aufenthalt im Wohnzimmer fernhalten möchte. Das für ihn angeschaffte orthopädische Hundebett mag er deshalb überhaupt nicht, aber natürlich werden wir ihm keine Schlafstelle aufnötigen, die ihm nicht gefällt.

 

Nachdem Schäfchen in den ersten Tagen mit dem Futter noch etwas zurückhaltend war, hat er inzwischen etwas größeren Appetit entwickelt, dafür ist er mit der Auswahl seines Futters erkennbar wählerisch geworden. Recht bald haben wir erkannt, daß Schäfchen Mühe hat, Futter und Wasser aus Schalen aufzunehmen, die auf dem Fußboden stehen, deswegen haben wir seine Futter- und Wassernäpfe erhöht aufgestellt. 

 

In den ersten zwei Tagen litt er noch unter Stressdurchfall, danach aber hat sich seine Verdauung und auch der Urinabsatz vollständig normalisiert, so daß der arme Schatz nun nachts durchschlafen kann Allerdings hat er die Angewohnheit, unmittelbar nach seinen Spaziergängen viel zu trinken. Deswegen muß er, bald nachdem wir vom Spazierengehen wieder zurück sind, noch einmal in den Garten zum pullern.

 

Trotz einer alten Verletzung am rechten Hinterlauf, die ihm das Laufen erschwert, hat sich Schäfchen zu einem ausdauernden Spaziergänger entwickelt. Er geht im ruhigen Schritt und bleibt häufiger stehen, aber auf diese Weise kann er eine Stunde lang draußen unterwegs sein, ohne überfordert zu wirken. Sein Geschirr oder ein Halsband läßt er sich aber nur widerwillig anlegen. Er hat furchtbare Angst, wenn man an seinen Kopf kommt. Das hängt sicher mit seinen abgeschnittenen Ohren zusammen, sowie mit den eitrig-entzündeten Gehörgängen, mit denen er sich mit Sicherheit schon Jahre plagt.

 

In den ersten zehn Tagen hat Schäfchen verschiedentlich im Stehen den Kopf hoch in den Nacken gelegt und hörbar ausgeatmet, als ob er wie ein Wolf heulen würde. Da hierbei jedoch kein Laut zu hören war und er auch noch nie gebellt hat, nehmen wir und unsere Tierärztin an, daß einer seiner Vorbesitzer ihm die Stimmbänder hat durchtrennen lassen. Es hört sich jedenfalls genauso an wie bei entsprechenden Hunden aus den USA.

 

Die einzige Form von Zuwendung, die Schäfchen gern zu haben scheint, ist die sanfte Massage seiner verbliebenen Ohrmuscheln. Dann wird seine Atmung zu einem leichten Schnarchen und er macht seinen Kopf schwer, um den Massagedruck zu verstärken. Ganz und gar nicht gefällt ihm dagegen die leider erforderliche Reinigung seiner entzündeten Gehörgänge. Die ist ihm vereinzelt schmerzhaft und wir haben den Eindruck, daß er uns diese Prozedur auch übel nimmt. Wir hoffen, daß wir die Entzündung medikamentös in den Griff bekommen können, damit die Notwendigkeit entfällt, ihn dieser Unanehmlichkeit aussetzen zu müssen.

 

Vorsicht ist außerdem geboten, wenn man in Schäfchens Nähe schnellere Bewegungen in seine Richtung macht, oder Gegenstände in der Hand hat. Dann schreckt er erkennbar zusammen, als ob er erwarten würde, geschlagen zu werden. Vereinzelt reicht es auch aus, für ihn überraschend die Küche zu betreten, weshalb wir dazu übergegangen sind, ihn bereits anzusprechen, noch bevor wir in sein Sichtfeld treten. Das hat seine Angstreaktionen seltener werden lassen. Generell hat er seine skeptische Grundhaltung uns gegenüber aber nicht verändert. Es hat mehr den Anschein, daß er sich mit seiner veränderten Situation nur arrangiert hat, als daß er sich über eine Verbesserung freuen würde. Er wirkt auf uns wie ein schwer depressiver Mensch, der jegliche Freude verloren hat und völlig im Autopiloten-Modus funktioniert. Dennoch werden wir uns weiter darum bemühen, ihm zu verstehen zu geben, daß wir ihn gern haben, und ihm ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Es wäre schön, wenn wir irgendwann einmal ein wenig mehr zu ihm durchdringen könnten, und er in der Zeit, die ihm noch bleibt, ein klein wenig Freude finden würde. Das hat er genauso verdient wie alle Hunde, die weniger stark beschädigt aus einem solchen Martyrium hervorgegangen sind. 

 

Nachtrag: Nach dem dringend erforderlichen und beim besten Willen nicht mehr aufschiebbaren Besuch beim Tierarzt (nahezu alle Zähne waren verfault) ist die psychische Situation nun leider noch schlechter geworden, weil Schäfchen trotz sofortiger Narkose und unglaublichen Bemühens des gesamten Teams die Situation als erneutes Trauma erlebt hat. Wieder frißt er praktisch gar nichts mehr und mißtraut uns. Zumindest wissen wir nun, daß er mit Sicherheit erheblich jünger ist als angegeben. Er hat also noch ein paar Jahre, um vielleicht doch noch so etwas wie eine gewisse Grundentspannung zu erlernen.