Auf Reise...
Sie ist sanft, sie ist klug, will gefallen und sie ist unglaublich liebevoll… manchmal benimmt sie sich wie ein ungelenkes, fröhliches Fohlen und donnert dann im fröhlichen Galopp am liebsten über den frisch gepflügten Acker. Maremmano sind ja zum Glück selbstreinigend… - dauert aber. Neben Matsch ist Wasser ihre große Leidenschaft, aber nur bis zur Brust. Aila weigert sich hartnäckig, schwimmen zu lernen und zeigte bei unseren wenigen Trainingseinheiten mit dem SUP-Board in der Uferzone einen Schwimmstil, den man ohne zu übertreiben als bedenklich einstufen kann. Immerhin nimmt sie die ganze Sache gelassen und versteckt sich nicht im Unterholz wie das Opossum, wenn wir die Boards in den See lassen. Opossums Skepsis ist berechtigt- ging sie doch schon mehrfach wegen ihrer fusseligen Freundin über Bord und mag Wasser eigentlich gar nicht am Körper…. Das ist eine entscheidende Nebenwirkung davon, dass die beiden unzertrennlich sind und wenn überhaupt nur gemeinsam auf so ein wackeliges Brett gehen… die letzte Badesaison zogen sie es vor, am Strand zu chillen und überließen uns die Badezone. Aber davon abgesehen machen sie einfach alles mit und sind grundsätzlich optimistisch und vertrauensvoll.
Letztes Jahr waren wir wieder in den Bergen und haben viele Abenteuer bestanden. Das größte war sicherlich für alle unsere Mehrtagestour durch die französischen Hochalpen - mit Esel und Zelt…. - bei Minustemperatur und Schnee unterm Gletscher. Aila war als Herdenschützer voll in ihrem Element- gelassen und souverän, total zuverlässig und einfach da. Die Kälte der Nacht hat ihr nichts anhaben können und tagsüber gab es Bäche und Schneefelder zum Abkühlen. Opossum brauchte ein Mäntelchen, wenn es abends frisch wurde und verlangte, gut in den Schlafsack gewickelt zu werden zur Nacht. Auch verstand sie nicht so recht, dass Hund vom Esel besser Abstand hält…. Wollte sie doch am liebsten nah bei uns sein…. Irgendwann hatte sie den Esel überzeugt und ihre Beharrlichkeit hat gesiegt. Überhaupt ist Opossum für unsere Familie sehr wichtig geworden. War Anfangs ihr Job, Aila aus dem Freeze zu knabbern, kümmert sie sich mittlerweile um alle Familienmitglieder und bei ihrem Frohsinn hat schlechte Laune keine Chance. Unsere Hundemädchen ergänzen sich prima und machen weiterhin alles nur zusammen - sie ertragen es kaum, wenn eine mal alleine im Garten ist.
Das mit dem Zelten haben wir übrigens lange geübt- wochenlang stand das Wurfzelt im Wohnzimmer und hat zunächst für maximale Irritation gesorgt. Aber die Mädels haben schnell verstanden, dass eng und flatterig auch ganz gemütlich sein kann…
Kaum zu glauben, dass Aila so souverän und offen ist, wenn wir reisen und unterwegs sind, aber zu Hause darf ich Weihnachten nicht mal einen Papierstern aufhängen- schon kann sie nicht mehr auf ihrem Platz liegen, von entspannt fressen ganz zu schweigen. Gleiches gilt, wenn das Futter im falschen Napf serviert wird… Zu Hause muss einfach alles (oder zumindest einiges) seine Ordnung haben.
Aila und Opossum gestalten nun schon im zweiten Halbjahr ein Tierschutz-AG an unserer Grundschule und sind bei allen Kindern sehr beliebt. Anfangs waren sie noch recht schüchtern, haben aber schnell an Selbstbewusstsein gewonnen und freuen sich jede Woche auf ihren Job. Gemeinsam mit den Kindern haben sie viel gelernt und ich hätte nie gedacht, dass sie mal Freude an Kommandos entwickeln könnten. Opossum hat lange gestresst reagiert, wenn ich nur ein „Sitz“ von ihr gewünscht habe. Und auch Aila hatte eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Mittlerweile lieben beide kleine Kunststücke und Suchspiele und Aila ist eine begeisterte Mantrailerin. Wir teilen die Kids dann immer in zwei Gruppen („Hasen“ und „Jäger“) auf und dann geht es mit Walkie Talkie und Wäscheklammern zur Spurmarkierung ab in den Wald. Bisher wurden noch immer alle gefunden und die Freude ist dann auf beiden Seiten groß.
Also Aila geht es gut, sie liebt kleine und größere Herausforderungen, lernt jeden Tag dazu und ist (dank Opossum) mittlerweile überzeugt davon, dass ein Herdenschützer unbedingt ins Bett gehört.
Wir sind sehr dankbar, dass ihr dieser tollen Hündin ins Leben geholfen habt und wir sie bei uns aufnehmen durften!
Aila heißt Sonnenschein…
Aber dass wir diese Seite an ihr so bald zu sehen bekommen, hätten wir nicht gedacht.
Aber nun von vorne: alles begann damit, dass unser treuer Wolf Laski nach langer Krankheit und dennoch unerwartet starb und wir das Gefühl hatten, diese Leere nicht aushalten zu können. Klar, dass niemand diesen einzigartigen Hund würde ersetzen können, aber das Körbchen war frei und die Wege, auf denen wir gewohnheitsmäßig weiter wanderten, irgendwie trostlos. Wir waren uns einig, dass unsere Lebensumstände es nicht zuließen, eine neue Herausforderung zu stemmen - einen zweiten Laski mit seinen körperlichen und seelischen Handicaps, seinen Ängsten und Aggressionen, der jahrelang brauchte, um wirklich anzukommen… das war mit 2 recht kleinen Kindern, Katzen und Hühnern einfach nicht drin. Eigentlich brauchten wir was total unkompliziertes, eine anpassungs- und strapazierfähige Frohnatur, so ein Modell „kommt zur Tür rein und war eigentlich schon immer da“. Leider interessieren uns diese simple gestrickten Familienhunde nicht, sondern wir landen immer wieder bei denen, die man sich erobern muss…
Immerhin war klar, es muss ein Hund sein, den man vorher kennen lernen kann und kein Blind Date. Aila, damals noch Brianna, hat uns gleich angesprochen mit ihrem lieben Blick und dass Kinder eher einen Zugang zu ihr finden als Erwachsene und sie eigentlich auch verspielt ist…. machte sie interessant. Also beschlossen wir, sie kennenzulernen und statteten der Pflegestelle einen Besuch ab. Da mussten wir dann doch erstmal ziemlich schlucken… wir erlebten einen Hund, der unsere bloße Anwesenheit kaum ertrug und sich in die letzte Ecke verkroch - 1 Jahr Pflegestelle und keine ernstzunehmenden Interessenten, die erste halbe Stunde war wirklich entmutigend. Dann wurde sie etwas ruhiger und nahm vorsichtig Kontakt zu den Kindern auf. Und irgendwann, nach langer Zeit und nicht ganz freiwillig, durften wir sie vorsichtig streicheln und auch auf dem gemeinsamen Spaziergang gab es neben viel Angst auch den einen oder anderen magischen Moment…
Der zweite Besuch verlief ähnlich und wir waren hin- und hergerissen, tendierten eigentlich zu einer Absage, weil uns die Aufgabe zu groß erschien. Aber da war so ein Gefühl, dass wir diesen Hund nicht aufgeben dürfen, dass sie zu uns gehören könnte…
Der dritte Besuch fand dann bei uns statt - Aila in fremder Umgebung - wir rechneten mit einem Hund, der panisch die Wände hochgeht. Und dann musste sie ja noch den prüfenden Blicken von Katz und Huhn standhalten - Jagdtrieb war für uns ein No Go. Es kam ganz anders als erwartet: Aila war viel weniger ängstlich als gedacht, betrachtete die Hühner freundlich neutral (das Federvieh war sowieso gänzlich unbeeindruckt) und lag dann, umringt von den argwöhnisch bis neugierigen Katzen, im Wintergarten und kuschelte mit unserem Sohn…in diesem Moment war es entschieden, dass wir mit ihr durch alle Untiefen gehen würden, weil sie sich für uns entschieden hatte. Leider konnte sie nicht gleich da bleiben, aber wir holten sie einige Tage später ab.
Einfach war es nicht. Aila war die ersten Tage sehr gestresst, kam nicht zur Ruhe, wollte nicht fressen, konnte sich nicht lösen. Wir machten lange Spaziergänge und Aila rannte, rannte den ganzen Stress ab und wurde allmählich ruhiger. Sie konnte fressen - anfangs nur aus der Hand und nur wenig. Aber sie war neugierig und aufgeschlossen, ließ rasch Kontakt von fremden Menschen zu, was uns sehr überraschte. Überhaupt überraschte sie uns häufiger in der ersten Zeit und baute sehr rasch eine enge Bindung zu uns auf. Den Kindern hatten wir eindringlich eingeschärft, dass alle auf geschlossene Türen achten müssen und dennoch kam es durch unglückliche Umstände dazu, dass sie an unserem kleinen Sohn vorbei wischte und an der Straße vor dem Haus stand. Am 3. Tag und ungesichert! Mir blieb das Herz stehen und ich weiß nicht, wo ich den fröhlich optimistischen Klang in meiner Stimme gefunden habe… aber ein beschwingtes „Aila komm“- der Hund strahlte mich an und hopste ganz selbstverständlich und schwanzwedelnd ins Haus. Sie wusste, wo sie hingehörte und sie kannte ihren Namen.
Nach zwei Wochen ließ das stundenlange Hecheln und heftig atmen nach, sie frass ihr Futter zwar nicht in einem, aber doch in einem überschaubaren Zeitraum von 2h. Zwar immer noch geduckt hinschleichend, ein paar Brocken hastig schlingend und schnell wieder in ihre Ecke zurück, aber immerhin halbwegs passable Portionen. Vom ersten Tag an lebte sie unseren Alltag mit - brachte den Großen zur Schule mit anderen Kindern, Trubel und sofort. Wir nahmen es gelassen hin, wenn sie beim Klappern des Mülleimers fast in Ohnmacht fiel, schonten sie nicht, achteten aber neben der Bewegung auf ausreichend Ruhephasen und feste Abläufe. Das nahm Aila gut an und orientierte sich an diesen Ritualen.
Und dann stand unser Urlaub an - lange gebucht und geplant aber viel zu früh. Aila war doch gerade einmal 2 Wochen bei uns und noch lange nicht angekommen. Urlaub auf der Pflegestelle? Möglich, kam uns aber wie Verrat vor. Der Urlaub an sich sollte ihr sehr entgegen kommen- 1 Woche auf einer einsamen Alm mitten in den Bergen, ringsum nichts. Wir wollten es wagen. Und wieder überraschte uns Aila…. Sie frass am Morgen der Abreise trotz Trubel zum ersten Mal anständig und erwies sich als Reiseprofi. Klar fuhren wir mit ihr in den Pausen keine vollen Rastplätze sondern einsame Feldwege fernab der Autobahn an und klar war sie stets gut gesichert mit Geschirr und Leine am Körper… aber sie war einfach cool. Stieg fröhlich aus, erledigte was sein musste und weiter ging’s.
Der Urlaub war ein Traum, Aila war da, präsent und immer bemüht, mit uns in Kontakt zu sein. Wir streiften den ganzen Tag durch die Berge, was für alle körperlich eine Herausforderung aber auch sehr entspannend war. Und wieder überraschte uns Aila: waren wir unterwegs, nutzte sie jede Pause, um an unserer Seite völlig entspannt zu schlafen- Berge und Wandern, sie war absolut in ihrem Element. Und derart auf uns fixiert, dass wir uns trauten, die Leine zu lösen. Zunächst auf der umzäunten aber riesigen Alm, später auch unterwegs. Aila war das erste Mal in ihrem Leben frei, ohne Begrenzung und ohne Leine und sie blühte immer mehr auf. Wir schenkten uns gegenseitig Vertrauen, sie blieb immer in der Nähe und kam auf Zuruf, als hätte sie nicht 2 Jahre im Tierheimzwinger sondern in der weltbesten Hundeschule verbracht. Sie war so dankbar und machte es uns so einfach. Das Sicherheitsgeschirr brauchten wir in den Bergen von da an nur noch auf schwankenden Hängebrücken oder Steilhängen, wo sie aufgrund ihrer Unsicherheit und Unerfahrenheit Unterstützung brauchte.
Dieser Urlaub hat uns allen viel gegeben und die Bindung sehr gestärkt.
Es wird auch weiterhin im Alltag schwierige Situationen geben, wo wir froh sind über das gute Geschirr und die Leine am Körper, aber was auch immer Aila an Ängsten und anderem noch auspackt, wir werden ihm mit viel Spaß, liebevoller Geduld und guter Laune begegnen. Und wir glauben irgendwie daran, dass uns Laski diesen Sonnenschein geschickt hat.
..... dieser Text ist fast ein Jahr alt. Seitdem ist viel passiert. Aila hat in Opossum eine kleine Gefährtin gefunden. Die beiden geben sich gegenseitig Halt und werden nach den Sommerferien mit mir eine Tierschutz-AG in der Schule gestalten. Kaum zu glauben, waren doch beide vor einem Jahr noch mega ängstlich. Das Opossum hatte panische Angst vor Menschen, ließ sich nicht anfassen... und nun sind sie so tolle Begleiterinnen in allen Lebenslagen, machen alles mit, sind offen und fröhlich...
Ein ausführlicher Bericht folgt zu einem anderen Zeitpunkt. Ich kämpfe noch mit dem System...