Wau- auu, sind das Schmerzen.
Da spaziere ich vor einigen Wochen mit Detlef durch die Siegaue, über asphaltierte Wege, kein Stein, kein Strauch weit und breit und dann plötzlich dieser Schmerz an meiner rechten Vorderpfote.
Tapfer wie ich bin, habe ich keinen Schmerzenslaut von mir gegeben, Detlef hat nichts bemerkt. Schnell bin ich neben ihm gelaufen, habe ihn intensiv angeschaut, bis ich feststellte, dass sich seine Gesichtszüge versteinerten, er meine blutüberströmte Pfote gesehen hatte. Besorgt beugte er sich zu mir runter, nahm mein Bein um sich die Fußsohle anzuschauen, weil er hier die Verletzung vermutete. Er dachte wohl, dass ich mich durch einen scharfen Gegenstand verletzt habe.
He, siehst du nicht von wo das Blut in Mengen fließt, der gesamte Fuß ist doch Blutüberströmt. Na endlich hört er mit der ergebnislosen Untersuchung meiner Fußsohle auf und schaut sich das Bein an, um schnell die Verletzung zu sehen.
Die Wolfskralle zeigt nicht, wie es sein soll, nach unten, sondern steht im rechten Winkel nach außen, wobei stehen die falsche Beschreibung ist, denn die Kralle ist mehr los als fest. Enddiagnose, fast vollständig herausgerissen Wolfskralle.
Alaaf,- es ist Karnevalssamstag, Ausnahmezustand. Bis Dienstag wird sich kein Tierarzt um mich kümmern können. Alle sind fröhlich, bekloppt unterwegs.
Aber ich habe ja Glück im Unglück mit meinen Menschen. Zuhause angekommen, bekommt Lydia erst einmal einen riesigen Schrecken, schaltet aber schnell auf erste Hilfe um. Ich bekomme den Fuß gereinigt, dann wird Wundsalbe aufgetragen und am Schluß wird alles mit einem Verband eng umwickelt.
Ich bin mit dieser Behandlung gar nicht einverstanden, möchte die Wunde lecken und beginne den Verband in grober Art zu entfernen.
Hätte ich mir doch denken können, dass ich unter Lydias Aufsicht stehe. Weit bin ich mit meiner Aktion nicht gekommen. Lydia hat mir den Verband mit einem nicht lösbarem Pflaster mehrfach umwickelte. Im Laufe des Abends habe ich noch einige Versuche unternommen, keine Chance, denn kaum das ich meine Schnauze ich Richtung Verband bewegte, sprang einer der Beiden auf und sortierte mich in die Ausgangsposition.
Nach ein paar Stunden habe ich aufgegeben und den Verband da gelassen, wo die Menschen meinten, das er hingehört. Man muss einsehen, wenn man keine Möglichkeit hat seinen Willen umzusetzen.
Bis Dienstag, jeden Tag das Prozedere, Verband ab, Salbe drauf, neuer Verband, Absichern mit viel Pflaster.
Endlich Dienstag, die Arztpraxen sind wieder geöffnet.
Wir fahren aber heute nicht zum Tierarzt.
Ich verstehe die Welt nicht mehr und was soll die Abgabenverweigerung von fester Nahrung. Den ganzen Tag laufe ich schwanzwedelnt hinter den Beiden her, belle, weine, jaule, setze meine unwiderstehlichen Leidensblick auf, kein Leckerli und auch der Fressnapf bleibt den ganzen Tag leer.
Das ist schlimmer als ein schmerzhaftes Bein, das auch gar nicht mehr sooo. weh tut.
Mittwoch Morgen, Spaziergang und danach setzen sich die Menschen an den Tisch um sich ein schmackhaftes Frühstück zu gönnen und ich sitze mit hängendem Bauch und ebensolcher Zunge daneben.
Ich glaube die lieben mich nicht mehr, die wollen mich verhungern lassen. Womit habe ich das verdient, was habe ich nur falsch gemacht. Ich bin fertig.
Kein Fressen, aber ab ins Auto. Wo geht es hin? Um diese Zeit fahren wir nie zu unserem gemeinsamen Tagesspaziergang.
Endstation Tierarzt. Warten im Zimmer mit dem gleichen Namen.
Aufruf „Ben“.Gemeinsam gehen wir in ein Behandlungszimmer. Ich werde auf einen Tisch gehoben, Detlef nimmt mich in den Schwitzkasten, streichelt mich anhaltend.
Eine junge, sehr nette, fremde Frau fummelt an meinem Bein, macht den Verband ab untersucht die Kralle und die Wunde.
Dann gibt es einen Pick am Bein und ich fange an zu träumen.
Wurst und andere Leckereien fliegen auf mich zu, eine bildschöne Pudeldame wirbt um meine Liebe, meine Zuneigung (auch kastrierte Rüden können davon träumen) böse, große Hunde werden von mir in die Flucht gejagt, meine Umgebung ist wunderschön und in ihr schlafe ich dann traumlos weiter.
Wie lange der Zustand andauerte kann ich Euch nicht mitteilen.
Tatsache ist, dass ich benebelt aufwachte, meine Menschen und einige fremde, in weiß gekleidete Leute, sind um mich versammelt, starren mich an.
Das war zu viel. Jetzt musste ich erst einmal wieder die Augen schließen, meine Gedanken sortieren um mich dann wieder der Wirklichkeit zu stellen. So langsam kam ich zu mir, versuchte auf meine Beine zu kommen, was mir nur mäßig gelang. Detlef unterstützte die nächsten Versuche und nach einigen Fehlversuchen konnte er mich auf den Boden der Praxis stellen und im Zeitlupentempo gingen wir gemein zum Auto.
Kaum das ich im Auto mein Bettchen erreicht hatte, schlief ich ein. Erst als wir Zuhause waren, und Detlef mich rief, erwachte ich.
Aus dem Auto, zu meinem Bett in der Wohnung, um dort den restlichen Tag weiter zu träumen. Die Müdigkeit war stärker als mein Hunger und das will bei mir schon etwas heißen, denn Hunger ist mein Begleiter, fressen könnte ich immer.
Durch die Unterhaltung zwischen Lydia und Detlef konnte ich erfahren, was mit mir in der Praxis geschehen war. Man hatte mich mit einer Spritze in das Land der Träume befördert, um mir schmerzlos die Wolfskralle zu ziehen.
Die Beiden hatten die Gelegenheit genutzt, um meine, wie sie fanden, ungepflegten, braunen Zähne von Zahnstein befreien zu lassen.
Wau, wenn ich jetzt mein Maul weit aufreiße und das mach ich nach der Behandlung gerne, leuchten meine Zähne wie Perlen in meinem Maul und ich genieße die neidvollen Blicke der anderen Hunde. Auch sabbere ich nicht mehr so viel wie vor der Behandlung, was meine Menschen freut.
Am frühen Abend war mein Bauch nicht mehr zu überhören. Ich raffe mich aus meinem Bettchen und begebe mich in die Küche. Zwei mal wurde mein Fressnapf bis zum Rand, mit schmackhaften Speisen gefüllt, mein Bauch war still und ich wieder soooo müde.
Den Rest des Abends verbrachte ich auf meinem Lieblingsplatz, auf dem Sofa zwischen Detlef und Lydia.
Mein Bein war nach der OP wieder verbunden worden und mit einem nicht zerbeißbaren Material gesichert. Jeden Tag wurde der Verband gewechselt und mit dem unzerstörbaren Material abgesichert. Hinzu kam, dass ich von meinen Menschen unter Beobachtung stand ich gar keine Chance hatte, den Verband zu entfernen. Kaum das ich meine Schnauze das Bein berührte, brüllte einer der Beiden, oder beide gemeinsam los.
Da ich nie Schmerzen hatte, mich nur der Verband störte, war es für mich kein großes Ding, als nach gut einer Woche das Prozedere vorbei war. Die Kralle vermisse ich nicht, dafür habe ich das weißeste Lächeln weit und breit.
Hallo Freunde heute spreche ich zum letzten mal über meine Feind Nummer eins, das grüne Saugmonster-(Staubsauger)Versprochen.
Ich habe eingesehen, dass ich die tiefe Freundschaft zwischen dem Monster und Detlef nicht zerstören, nein, noch nicht einmal trüben kann, denn innig verbunden ziehen die Beiden fast täglich durch die Wohnung.
Ich muss auch einsehen, dass der Grüne, mit seinem Saugtalent, unschlagbar ist, er dadurch für die Menschen eine große Hilfe darstellt.
Was mache ich jetzt, wenn die Beiden wieder gemeinsam durch die Räume ziehen. Ich gehe in einen anderen Raum, oder ich beobachte sie aus sicherer Entfernung, springe aber, um nicht in Vergessenheit zu geraten, schon mal vor, und belle den Fiesling an, auch auf die Gefahr hin, sofort von Detlef eine Rüge einzufangen.
Das ist mir egal, aber hin und wieder muss das sein und die Rüge stecke ich einfach weg.
Ich habe den Eindruck, das Detlef mir meiner Entscheidung leben kann, und der Grüne auch. So können die Beiden weiterhin fast ungestört ihren gemeinsamen Spaziergang durch die Wohnung machen, der Grüne seine Fähigkeiten zeigen.
Ich beobachte ihr Treiben weiterhin unversöhnlich.
So jetzt werde ich nicht mehr davon reden, denn ich will Euch ja nicht mit meinen Erlebnissen langweilen.
Jetzt zu meinen Nachbarn, deren Grundstück nicht durch einen Zaun zu unserem getrennt ist.
Im Winter war ich nicht so oft im Garten. Wenn doch, wurde ich von den Nachbarn freundlich angesprochen, in ihre Wohnung eingeladen.
Nein so schnell gehe ich nicht in einen fremden Raum, zu fremden Menschen. Sollte man auch nicht. Erst mehrmals anschnuppern, anhören, die Angebote abwägen
Nach einigen, vielversprechenden Treffen, habe ich die Einladung in ihrer Wohnung angenommen. Als Gastgeschenk bekam ich einige Leckereien, die mir die Menschen noch sympathischer machten. Im Verlaufe der Zeit, habe ich die Vorteile erkannt und zu meinen Gunsten ausgenutzt. In den Wintermonaten habe ich, nach dem ich mein Essen bekommen habe, ich satt und zufrieden war, an der Terrassentüre gestanden und um Auslass gebeten.
Wenn Lydia oder Detlef nicht darauf reagierten, trotzdem sie im Esszimmer saßen, habe ich eine Gang höher geschaltet und angefangen zu weinen, zu jaulen, wenn die Beide auch dann keine Redaktion zeigten, habe ich mein Kampfmittel, lautes Bellen eingesetzt.
Das kam nicht so an, wie ich es erwartet hatte. Nein, ganz im Gegenteil, ich wurde zur Ordnung gerufen und aufgefordert so lange zu warten bis die Beiden ihr Abendessen eingenommen hatten.
Das kann dauern. Schlau wie ich bin habe ich auf braver Hund umgeschaltet, mich hingelegt und gewartet. Wie langsam doch Zeit vergeht, wenn man warten muss.
Endlich steht einer auf und öffnet die Türe. Wie ein Zäpfchen rase ich über das Grundstück zu den Nachbarn, die ich Familie H u H nenne. Hier laufe ich vor einer geschlossenen Terrassentüre. Doch ich werde schon erwartet und mir wird sofort Einlass gewährt.
Ab geht es gemeinsam in die Küche, wo ich natürlich schon den Schrank kenne, in dem sich die Hundeköstlichkeiten befinden.
Nach dem Abendessen bei meinen Menschen, noch ein Nachtisch bei meinen Nachbarn. Das ist Leben auf höchstem Niveau. Ich hatte den Ablauf schon einmal beschrieben, wiederhole mich nur, um an die Anfänge der Freundschaft zu erinnern um jetzt die Situation im Frühling, wo alle Türen offen stehen zu erzählen.
Ich glaube Familie H u H mögen mich, sie haben mir sogar verschieden Spielsachen gekauft, ein Gummihuhn, ein Quietscheball.
Sie haben mir die Sachen gezeigt und dann weit in den Garten geworfen und mich aufgefordert, sie zu holen und zurück zu bringen.
So ein Blödsinn. Warum werfen sie Sachen in den Garten, wenn sie nicht da liegen bleiben können.
Ich hole das Gummihuhn nicht, denn das hat keinen Geschmack und essen kann man es auch nicht. Auch der Ball kann auf der Terrasse liegen bleiben, wenn er nicht im Garten herum liegen soll.
Die Menschen unterhalten sich über mich. Sie nennen den Vorgang SPIELEN, ein Begriff mit dem ich wenig anfangen kann.
In den vier Jahren Tierheim, hat man nicht gespielt. Wenn ich laufen will, mir danach ist, rase ich wie ein Windhund übers Grundstück, zur Freude aller.
Ja, nun zu den offenen Türen überall.
Toll, kein bitten und bellen, einfach hier raus und da rein. Überall herzlich willkommen, überall volles Verwöhnprogramm.
Hier eine Möhre, dort ein Knochen, da eine Streicheleinheit, hier ein Schmusen.
Ich bin auch mit H und H schon spazieren gegangen. Beim ersten Spaziergang haben sie mich an der Leine geführt, aber sehr schnell erkannt, dass ich auch ohne Leine bei ihnen bleibe.
Ich wäre doch ein saublöder Hund, wenn ich abhauen, und mir die Freundschaft versauen würde. Nein, diese Annehmlichkeiten werde ich durch diszipliniertes, liebevolles Verhalten ausbauen, nicht kündigen.
Bei schönem Wetter sieht der Tag so aus, dass ich mich auf dem gesamten Grundstück frei bewegen kann, zu jeder Wohnung freien Zutritt habe, überall gerne gesehen werde, mich auch auf beiden Terrassen aufhalten darf. Einen 24 Stunden Rundumservice genießen und in Anspruch nehmen darf.
Ein Paradies auf Erden könnte man meinen. Doch kein Paradies ohne eine Verlockung.
Liege ich entspannt auf meiner Heimterrasse in der Sonne und träume vor mich hin, meldet sich ganz leise der Gedanke, ist bei Familie H u H einer Zuhause und wenn ja, was könnte ich dort verpassen. Der Gedanke lässt mich nicht mehr los, überlagert alles, nimmt mir die Entspannung, bis er so unerträglich wird, dass ich aufspringe und rüberlaufe um festzustellen, das keiner Zuhause ist.
Zurück bei meinen Menschen, lege ich mich wieder in die Sonne, bis der beschriebene Gedanke sich wieder meldet und mich solange quält, bis ich aufstehe und durch den Garten zu meinen Nachbarn renne.
Treffe ich einen dort an, bekomme Zuneigung, ein streicheln, oder sogar eine Leckerli.
Für den Moment bin ich glücklich und lege mich auf ihrer Terrasse.
Ich bin zufrieden und entspannt. Nicht lange, und ich frage mich, was könnte ich bei Lydia u Detlef verpassen. Diese Ungewissheit lässt mich nicht ruhen. Ich muss aufstehen und rüberlaufen. So geht es mir jetzt jeden Tag, jede Stunde. Das hält doch kein Hund aus. Wenn ich das nicht sehr schnell in den Griff bekomme, werde ich diesen Sommer noch beim Hunde - Physiologen auf der Couch landen.
Es gibt eben kein Paradies ohne eine Versuchung, der man widerstehen muss.
Meine Menschen beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge
Zusammenfasend muss ich sagen, was für tolle Veränderungen in meinem Leben.
Mein ersten Lebensjahr, Straßenhund, dann vier Jahre römisches Tierheim und nun Luxus pur. Ich bin glücklich, meine Menschen und Familie H und H auch, das spüre ich.
So kann es noch viele Jahre gemeinsam weiter gehen.
Bis die Tage bellt Euch Hund Ben an